Titelthema

Oya und die Schwarze Kunst

Oya ist ein Industrieprodukt des Druckgewerbes.
Ein paar selbstkritische Gedanken zum ökologischen Fußabdruck dieser Zeitschrift.
von Lara Mallien, erschienen in Ausgabe #18/2013
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Die Sache lässt sich auf einen einfachen Punkt bringen: Es wäre ökologischer, Oya nicht zu drucken.

Als wir im Herbst 2009 eine geeignete Druckerei für Oya gesucht haben, hatten wir nur eine Handvoll Anbieter zur Auswahl. Die einzige finanzierbare Möglichkeit war das Rollenoffset-Druckverfahren, das nur wenige Firmen auch für kleine Auflagen wie 10 000 Stück anbieten. Eine Rollenoffset-Maschine ist so groß wie ein Haus und läuft im Idealfall rund um die Uhr auf vollen Touren. Hier werden nicht einzelne Blätter verarbeitet, sondern eine schier endlose Papierschlange rast in hoher Geschwindigkeit durch eine Kaskade hochpräzise gefertigter Druckwalzen aus Stahl. Die Maschine übernimmt auch das Trocknen, Zusammenlegen und Schneiden des Papiers – die typische Technik für Zeitungen und Zeitschriften, Teil des ganz normalen Wahnsinns, des »grauen Fußabdrucks«.
Die Druckerei Bechtle in Esslingen hat damals das beste Angebot gemacht, und der Betrieb schien uns vertrauenswürdig. Er trägt das EU-Zertifikat »EMAS«. Solche Betriebe verpflichten sich, ihre umweltrelevanten Tätigkeiten und Daten wie Ressourcen- und Energieverbrauch, Emission und Abfälle etc. offenzulegen und an der Verbesserung der Umweltverträglichkeit zu arbeiten.
Wichtig war uns, für Oya zu 100 Prozent chlorfrei gebleichtes Altpapier zu verwenden. Unser Papier »Charisma Brillant« der Firma Steinbeis trägt den »Blauen Umweltengel« und das EU-Eco­label. Eine FSC-Zertifizierung für Papier war uns nicht ausreichend, da der »Forest Stewardship Council« sein Label auch an Monokultur-Plantagen vergibt (kritische Artikel: www.regenwald.org).

Auch Oya beschleunigt den Klimawandel
Bechtle hat die CO2-Emissionen für den Druck einer Oya-Ausgabe ausgerechnet: 8,977 Tonnen. Die Kosten für deren Kompensation würden 144 Euro betragen. Bezahlten wir sie, dürften wir den Zusatz »Print CO2-geprüft« führen. »Aber wie ich die Philosophie Ihres Magazins kenne, werden Sie das bestimmt nicht machen. Das ist ja nichts als Ablasshandel«, sagte unser freundlicher Kundenbetreuer bei Bechtle und lag da völlig richtig.
Durch Oya wird viel CO2 in die Luft gepustet, da beißt die Maus keinen Faden ab. 144 Euro – das klingt so unbedeutend. Ich brauche noch einen anderen Vergleich und rechne aus, dass ein Hybridauto der Marke »Toyota Prius« gut 86 000 Kilometer fahren kann, bis sein Verbrennungsmotor 8977 Kilogramm CO2 ausgestoßen hat. Nichts ist so gefährlich wie das gekaufte gute Gewissen.
Zwar ist das Depot unseres Kioskvertriebs gleich um die Ecke von Bechtle Druck, so dass hier kein langer Transportweg anfällt. Doch wie ist es mit den Lieferwagen, die die Hefte an die Verkaufsstellen bringen? Und das Oya-Büro liegt 820 Kilometer entfernt. Jeden Tag sausen ein paar Sendungen Oyas in irgendwelchen Caddys, Sprintern oder Ivecos durch halb Mitteleuropa. Grund zur Sorge sind auch die Druckfarben. Sie bestehen aus organischen und anorganischen Pigmenten, Harzen, pflanzlichen Ölen, Mineralölen und Zusatzstoffen. Unter »gefährliche Inhaltsstoffe« stehen im Datenblatt drei Erdöl-Destillate. Für Rollenoffset stehen derzeit keine rein pflanzlichen Farben zur Verfügung, denn deren Trockenphase müsste viel heißer sein, was wiederum mehr Energie verbrauchen würde. Beim Recycling werden Druckfarben im »Deinking«-Prozess aus dem Papier gelöst. Zurück bleibt giftiger Schlamm, der verbrannt oder in der Beton- und Ziegelindustrie verarbeitet wird. Das erfahre ich von der österreichischen Druckerei Gugler, die mit einem Partner eine neue Farbrezeptur nach dem Prinzip »Cradle to Cradle« entwickelt. Die Schadstoffe sollen nicht nur reduziert werden, sondern langfristig soll aus Deinking-Schlamm nahrhafter Kompost entstehen. Das sei bereits ziemlich gut gelungen, an ein paar letzten schwierigen Substanzen werde noch gearbeitet. Da die Entwicklung so neu ist, setzt Gugler diese Farben im Moment noch exklusiv ein, doch ein Lizenzmodell für die Technik ist in Arbeit.
Auch mit essbaren Farben und essbarem Papier – eine Rollenoffset-Maschine ist wohl kein sonderlich postkollapsfähiger Gegenstand. Schon der Bleisatz in der Renaissance war verflixt giftig. Trotzdem liebe ich die »Schwarze Kunst«, wie das Druckgewerbe seit Gutenberg heißt. Wie keine andere Technik machte sie die Welt zu dem, was sie heute ist – auch das Internet ist ihr Abkömmling. Sie gibt dem geschriebenen Wort seine weltumspannende Macht. Seitdem steht die Menschheit vor der Aufgabe, damit weise umzugehen. Das üben wir bei jeder Oya-Produktion.  

www.bechtle-online.de
www.gugler.at
www.printthechange.com

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