Permakultur

Die Permakultur – ein Werkzeug

Wissensexkursion Permakultur, Teil 1.von Ulrike Meißner, erschienen in Ausgabe #17/2012
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© www.humantouch.de

Eine bloße Reduzierung auf das Gärtnern oder irgendeinen anderen Bereich würde jedoch dem großen Potenzial, das der Gestaltungsansatz Permakultur mit sich bringt, nicht gerecht. Deshalb lade ich an dieser Stelle zu einer kleinen »Wissensexkursion Permakultur« ein. Ich gebe einen kleinen Einblick in die Entstehung der Permakultur und stelle in den nächsten Ausgaben die Permakultur-Gestaltungsprinzipien vor.
Der Begriff Permakultur (von englisch: permanent agriculture, deutsch: dauerhafte Landwirtschaft) wurde Ende der 70er Jahre von dem Australier Bill Mollison und seinem damaligen Studenten David Holmgren geprägt. In der Diskussion um »Die Grenzen des Wachstums«, dem Bericht an den »Club of Rome« zur Lage der Welt, wollten sie mit ihrem Konzept einen Beitrag zur zukunftsfähigen Gestaltung der Landwirtschaft leisten. Ihre ersten Überlegungen zielten auf die Verbesserung der Landbewirtschaftung. Diese sollte weggehen von hohem Energieeinsatz und Bodenzerstörung in den Industrieländern, weg von Waldzerstörung und Wüstenbildung in den ärmeren Ländern sowie weg von Lebenssituationen, in denen Menschen als »Arbeitstiere« ihr Dasein fristen müssen. 1978 wurden ihre Ideen unter dem Titel »Permakultur I« publiziert; kurz dar­auf erhielt Bill Mollison dafür den alternativen Nobelpreis.
Permakultur entstand also als Konzept zur Gestaltung dauerhafter landwirtschaftlicher Systeme, die mit menschlicher Energie und Verstand überall zu erschaffen sein sollen.
In den Jahren seit seiner Prägung erfuhr der Begriff »Permakultur« eine inhaltliche Wandlung. Er wird heute eher als permanent culture gefasst, also als ein System zur Entwicklung einer komplexen Lebensraum- und Lebensgestaltung. Die landwirtschaftliche Kultur ist, bei genauem Hinsehen, von unserer zwischenmenschlichen Kultur nicht zu trennen.
Die Ziele der Permakultur sind, zusammengefasst, die Entwicklung einer ganzheitlich gestalteten, zukunftsfähigen Umwelt und einer zukunftsfähigen Kulturentwicklung. Um dies zu erreichen, versammelt die Permakultur zahlreiche nützliche Ideen, Methoden, Fähigkeiten und Lebensweisen. Sie stammen aus Betrachtungen von Strukturen und Mustern der natürlichen Ökosysteme, aus traditionellen Techniken und traditionellem Wissen und auch aus der modernen Wissenschaft und Technik.
Bildlich gesprochen, ist Permakultur ein Werkzeug zur Gestaltung etwa von Landwirtschaftssystemen, von Gärten, vom eigenen Leben oder, allgemein gesprochen, von Zukunftsfähigkeit – genauso wie ein Schraubenzieher ein Werkzeug ist, um einen Stuhl zusammenzubauen.
Wie komplex die Bereiche sind, die wir bei der Erschaffung einer enkeltauglichen Kultur bedenken müssen, zeigt Holmgren in seiner oben abgebildeten »Permakultur-Blume«. Sieben Wissensgebiete braucht es dafür: Werkzeuge und Technologien, Kultur und Bildung, Gesundheit und Spiritualität, Finanzen und Wirtschaft, Landverteilung und Gemeinschaft, Landschafts- und Naturverwaltung sowie die gebaute Umwelt.
Das Gestaltungssystem der Permakultur begründet sich aus einer Ethik, die durch drei Prinzipien definiert wird: Wir wollen »Sorge tragen für die Erde« (»earthcare«), »Sorge tragen für die Menschen« (»peoplecare«) und »gerecht teilen und Wachstum begrenzen« (»fairshare«). Hiermit werden der Schutz unserer Lebensgrundlagen und das Streben nach sozialer Gerechtigkeit festgeschrieben und auch die Endlichkeit aller Ressourcen anerkannt.
Um die Anwendung dieser ethischen Prinzipien in konkretes Handeln zu übersetzen, wurden sogenannte Gestaltungsprinzipien formuliert. Diese sind universell anwendbar und sollen eine zukunftsfähige Entwicklung beschleunigen:
1) Beobachte und handle.
2) Fange Energie ein und bewahre sie.
3) Erziele eine Ernte.
4) Lass die Natur regulieren und akzeptiere Feedback.
5) Nutze und schätze erneuerbare Ressourcen und Leistungen.
6) Produziere keinen Abfall.
7) Gestalte erst das Ganze, dann das Detail.
8) Integriere, statt zu zerteilen.
9) Nutze kleine und langsame Lösungen.
10) Nutze und schätze Vielfalt.
11) Nutze die Randzonen, und schätze das Marginale.
12) Nutze die Veränderungen, und reagiere auf sie mit Kreativität.
Permakulturgestaltung bedeutet, im Geist dieser Prinzipien zu handeln. Dazu braucht man natürlich auch praktisches und theoretisches Wissen zur jeweiligen Fragestellung. Möchte ich einen Garten anlegen, werde ich mich mit Boden, Wasser, Kleinklima, Pflanzen und auch Wildtieren auseinandersetzen. Plane ich ein Freigelände für Schweine, werde ich neben der Geländeanalyse auch beobachten und studieren, was Schweine so brauchen.
Die Entwicklung eines Gestaltungsanliegens wird dabei immer als Prozess betrachtet, zu dem neben dem Beobachten, Gestalten und Umsetzen auch die Erhaltung der Gestaltung gehört.
Verschiedene Methoden helfen dabei, von unseren Anliegen zu den passenden Lösungen für Ort und Nutzer zu finden; diese lassen sich etwa bei Permakultur­design-Kursen lernen.
Außer dem Bio-Wissenschaftler und vielseitigen Praktiker Bill Mollison (*1928) und David Holmgren (*1955) gibt es noch einige weitere »große Namen«, die im Zusammenhang mit der Permakultur immer wieder auftauchen.

Große Namen
Der japanische Farmer und Philosoph Masanobu Fukuoka (1913–2008) entwickelte eine eigene Form der natürlichen Landbewirtschaftung, die ohne Pflügen und die Verwendung von Agrarchemie auskommt. Er wurde durch seine Publikationen auch im deutschsprachigen Raum bekannt. Der österreichische Bergbauernsohn Sepp Holzer (*1942) ist der im deutschsprachigen Raum medial am weitesten bekannte Permakultur-Vertreter. Er entwickelte auf seinem Hof auf über 1300 Metern Höhe eine beeindruckende Wasserlandschaft und ist als Berater für alternative Landwirtschaft weltweit aktiv.
Vor allem im Alpenraum als Permakultur-Lehrer bekannt war der gebürtige Österreicher Joe Polaischer (1946–2008), der in Neuseeland in mehr als 20 Jahren auf wüstem Land mit seiner Frau die »Rainbow Valley Farm« aufbaute. Als Pionier der Anlage von Waldgärten in Mitteleuropa gilt der Engländer Robert Hart (1913–2000). 


Tiefer graben
www.permacultureprinciples.com (Englisch)

Literaturliste:

Permaculture
Principles & Pathways Beyond Sustainability.
David Holmgren
Holmgren Design Services 2002
286 Seiten
ISBN 0-646-41844-0

Handbuch der Permakultur-Gestaltung
Bill Mollison
Österreichisches Institut für angewandte Ökopädagogik 2002
640 Seiten
ISBN 978-3-200-01258-5

Permakultur für alle
Harmonisch leben und einfach gärtnern im Einklang mit der Natur.
Sepp und Margit Brunner
Ulmer
184 Seiten
ISBN 978-3-8001-6951-1

Permakultur kurz & bündig
Schritte in eine ökologische Zukunft.
Patrick Whitefield
Organischer Landbau Verlag, 2003
69 Seiten
ISBN 3-922201-15-6

Rückkehr zur Natur
Die Philosophie des natürlichen Anbaus.
Masanobu Fukuoka
Pala
160 Seiten
ISBN 978-3-923176-46-5

In Harmonie mit der Natur
Die Praxis des natürlichen Anbaus.
Masanobu Fukuoka
Pala
152 Seiten
ISBN: 978-3-923176-47-2

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