Permakultur

Die Wildnis ganz nah

Artenschutz beim Bauen und Sanieren, Teil 2.
von Ulrike Meißner, erschienen in Ausgabe #46/2017
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© Ulrike Meißner

Wie können wir Wohn- und Arbeitsgebäude so gestalten, dass sie sowohl für uns als auch für zahlreiche Fledermaus- und Vogelarten schön und lebenswert sind? Als direkte Kultur­folger des Menschen leben diese Tiere gerne in den von uns geschaffenen Strukturen. Sie sind darauf angewiesen, dass wir so bauen oder sanieren, dass ihr Lebensraum erhalten bleibt.

Fledermäuse
Oft wird erst bei einer Sanierung bemerkt, dass ein Haus als Fleder­mausquartier dient. Dann findet man – wie auf unserem Hof – beim Abdecken von Dächern oder Verschalungen in Spalten schlafende Exemplare dieser Säugetiere. Seltener gibt es Nischen, die eine Wochen­stube oder Winterquartiere beherbergen. In den Wochenstuben finden sich mehrere Fledermausweibchen ein, um gemeinsam ihre Jungen zu bekommen und großzuziehen. Während der Dämmerung lässt sich ein Ausflug der Tiere aus dem Quartier zur Jagd nach fliegenden Insekten meist gut beobachten.
Ist eine Sanierung nicht vermeidbar, kann man durch einfache Maßnahmen verhindern, dass Tiere durch Bauarbeiten verletzt oder getötet werden. Gibt es vor Ort Fledermäuse, Brutplätze oder gar eine Wochenstube, darf eine Sanierung nur nach Abstimmung mit der Naturschutzbehörden und nur zu bestimmten Zeiten erfolgen. Bei hohlen Mauern oder Fassaden, in denen Fledermäuse Unterschlupf finden könnten, empfiehlt Marion Lehnert, Fledermausfachfrau beim Naturschutzinstitut Dresden e. V., an drei Tagen und Nächten eine nach unten offene Bau- oder Dachdeckerfolie vorzuhängen; diese ermöglicht es den Tieren, auszufliegen, verhindert aber durch das veränderte Ultraschallortungsbild einen Wiedereinflug. Sicher ist diese Methode jedoch nur in trockenen Nächten, wenn die Temperaturen über 15 ° C liegen, weil die Tiere sonst ihren Unterschlupf nicht verlassen. Während der Wochenstubenzeit und Brutzeit von Mai bis August muss vorher – am besten durch Fachleute – sichergestellt werden, dass sich weder Vogelnestlinge noch Fledermausweibchen mit ihren Jungen in den Spalten oder Löchern befinden, da diese sonst durch die Folienabhängung nicht mehr gefüttert bzw. gesäugt werden könnten. Diese Bereiche sollten dann zu einem späteren Zeitpunkt abgehängt werden.
Bei der Sanierung sowie beim Neubau eines Hauses können leicht neue Quartiere für Fledermäuse geschaffen werden, beispielsweise hinter Holz- oder Schieferverkleidungen oder in der Dachhaut. In Dachböden ist oft Platz für wichtige Raumquartiere, hinter Fensterläden oder in Kellern können Winterquartiere entstehen. Einfache Schlafquartiere bieten auch fertig gekaufte oder selbstgebaute Kästen, die an der süd- oder ostseitigen Fassade mit freiem Anflug angebracht werden.
In jedem Fall empfiehlt sich ein Gespräch mit örtlichen Fleder­mausfachleuten, die wissen, welche Arten in der Region vorkommen und welche Art von Quartier am ehesten nützlich wäre. Kontakte vermitteln die Naturschutzbehörden oder örtliche Naturschutzverbände. Dazu hat das Sächsische Landesamt für Umwelt,  Landwirtschaft und Geologie die anschauliche Broschüre »Fledermausquartiere an Gebäuden« mit artbezogenen Bauanleitungen und Fotos von bereits umgesetzten Baumaßnahmen veröffentlicht.

Schwalben
Schwalben sind wohl die bekanntesten gebäudebewohnenden Vögel. Unterschieden werden bei uns zwei Arten: Die Rauchschwalben brüten in Innenräumen, meist in Ställen und Scheunen, aber auch in Hausfluren. Sie setzen ihre selbstgebauten Nester aus Lehm oder lehmiger Erde gern auf vorhandene Strukturen wie Rohrleitungen oder Leisten, bauen aber auch völlig frei an die Wand. Mehlschwalben hingegen nisten an der Außenfassade von Gebäuden; sie benötigen dafür einen entsprechend weiten Dachüberstand. Den Halt der Nester unterstützt eine rauhe Fassadenstruktur; auf wasserabweisende Fassadenanstriche oder Farben mit Lotoseffekt sollte im Bereich der Nester oder potenzieller Nistplätze verzichtet werden. Wer die Schwalben dazu motivieren möchte, an bestimmten Hausbereichen zu bauen, kann etwa 13 Zentimeter unter dem Gesims Dachlatten anbringen, auf denen die Vögel ihre Bauwerke für einen besseren Halt gern aufsetzen.
Damit Schwalben überhaupt in der Lage sind, ihre Nester zu bauen, brauchen sie in der Nähe verfügbares Nistmaterial in Form von feuchter, lehmiger Erde. Bei uns auf dem Hof haben wir eine Kuhle, in der sich bei Regen eine Pfütze bildet, bei Trockenheit regelmäßig bewässert und zusätzlich eine Schaufel voll Lehm eingebracht. ­Dieser Lehm wurde innerhalb von wenigen Stunden von den Schwalben entdeckt und zum Nestbau geholt. Um Verschmut­zungen durch Kot auf dem Boden unter den Brutplätzen zu vermeiden, lässt sich an vielen Stellen ein sogenanntes Kotbrett 50 bis 60 Zentimeter unterhalb der Nester an die Wand montieren. Der herabfallende Kot wird dort aufgefangen und kann nach der Brutzeit als Dünger für Gartenpflanzen dienen.
Damit die Rauchschwalben zu ihren im Gebäude liegenden Nistplätzen gelangen können, brauchen sie in der Brutzeit von Ende März bis Anfang Oktober ein ständig geöffnetes Fenster oder einen Durchflug von 30 × 20 Zentimetern in der Tür, falls diese geschlossen ist.

Mauersegler
Mauersegler werden häufig mit Schwalben verwechselt, wenn sie in den Städten in Trupps durch die Häuserschluchten fliegen und Insekten jagen. Sie sind wahre Flugkünstler und können aufgrund ihres Körperbaus nur in der Luft Nahrung aufnehmen. Das ganze Leben außerhalb der Brutzeit findet in der Luft statt, auch das Schlafen.
Mauersegler sind Höhlenbrüter und brauchen als Kulturfolger des Menschen entsprechende Strukturen an Gebäuden, zum Beispiel in der Fassade oder unter Dachvorsprüngen. Bei der Sanierung von Altbauten gehen leider oft Brutplätze verloren, doch es gibt auch Möglichkeiten, um das zu verhindern. So können in die Fassade vorgefertigte Niststeine eingebaut oder unter der Traufe Nistkästen angebracht werden. Diese können auch als Balkonkasten oder wie Rollladenkästen in Fensteröffnungen konstruiert werden. Mauersegler sind nicht menschenscheu, aber es ist doch einiges zu beachten, damit neu angebotene Nistplätze angenommen werden: Die Vögel sind standorttreue Koloniebrüter; es sollten also immer mehrere Plätze zusammen zur Verfügung stehen, und man darf sich nicht wundern, wenn es bei ganz neu geschaffenen Kästen einige Jahre dauert, bis sie entdeckt und genutzt werden. Sind die Segler jedoch einmal vor Ort, kommen sie jedes Jahr wieder. Besonders wichtig ist, dass die Brutplätze nicht direkt der Sonne ausgesetzt sind, um eine Überhitzung im Sommer zu vermeiden. Günstig sind Standorte an der Nord- oder Ostseite von Gebäuden, die zudem möglichst hoch (mindestens 6 Meter) über einer geraden Wand ohne Vorsprünge oder Simse liegen.
Oft wird beobachtet, dass Haussperlinge oder Stare die Brutplätze als Erste besiedeln. Man vermutet, dass dies für die Mauer­segler vorteilhaft ist, da sie so auf die Nistplätze aufmerksam werden.

Weitere Höhlenbrüter
Neben dem Mauersegler gibt es einige weitere Höhlenbrüter, die als Kulturfolger des Menschen nisten. Auf unserem Hof brüteten in den vergangenen Jahren im alten Feldsteingiebel der Scheune Sperlinge, in einer anderen Feldsteinwand Kohlmeisen, in den Lücken über manchem alten Fenstergesims sahen wir Bachstelzen ein- und ausfliegen, und in der offenen Scheune nisteten Hausrotschwänzchen in einer Wandnische.
Außerdem gehören auch der Star sowie die Dohle, ein kleiner Rabenvogel, zu den gebäudenutzenden Höhlenbrütern, ebenso Turmfalke und Schleiereule. Um überhaupt zu bemerken, dass diese und andere Arten an oder in unseren Gebäuden leben, sind ein wenig Aufmerksamkeit und Ruhe erforderlich. Es ist empfehlenswert, sich vor allem während der Brutzeit – also im Frühling und (Früh-)Sommer – ganz bewusst ruhig hinzusetzen und eine Viertelstunde oder länger nur zu beobachten. Dann bemerkt man plötzlich, wer wo ein- und ausfliegt und wo Brutplätze sind, die möglicherweise bei einer Sanierung verlorengehen könnten.
Unvermeidliche Sanierungsarbeiten in der Nähe von Brutplätzen sollten immer außerhalb der Brutzeit durchgeführt werden. Werden dabei Nistplätze zerstört, lassen sich diese problemlos durch entsprechende Kästen, die in den Maßen an die jeweiligen Bedürfnisse der einzelnen Arten angepasst werden, ersetzen.
Beim Nistkasten-Bau sollte möglichst rauhes Material, etwa sägerauhes Holz, verwendet werden. Einfluglöcher gehören ins obere Drittel des Kastens, beim Mauersegler unten an den Boden. Wenn möglich, sollten Kästen in die Fassade eingebaut werden. Das sorgt für besseren Witterungsschutz und längere Haltbarkeit; ansonsten sollte möglichst robustes, dauerhaftes Material – wie z.B. Holzbeton – gewählt werden. Für größere Gebäude empfiehlt Marion Lehnert generell Kästen aus Leicht- oder Holzbeton. Diese können in die Fassadengestaltung einbezogen werden. \ \ \


Lesetipps
»Fledermausquartiere an Gebäuden« (2017) sowie »Rauch- und
Mehlschwalben – Mitbewohner unserer Gebäude« (2011), Hrsg. vom Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie.
»Hilfe für den Mauersegler«, Verein Sächsischer Ornithologen (2001).
Bauanleitungen für Nistkästen: kurzlink.de/TiereAlsUntermieter

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