Permakultur

Wir schaffen was

Nützliche Strukturen in der Kulturlandschaft schaffen – Auftakt zu einer Praxis-Serie zum Schutz kleiner Wildtiere.von Ulrike Meißner, erschienen in Ausgabe #46/2017
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© NABU/Eric Neuling

Jeder Mensch ist ein Gestalter. Das ist eine grundlegende Sichtweise auf den Menschen in der Permakultur, wo die Gebäude, in denen wir leben, sowie das Gelände im näheren und weiteren Umfeld – vom Balkon bis zur Landwirtschaftsfläche – gestaltet werden. Wollen wir diese Flächen entsprechend der ethischen Maxime »Sorge tragen für die Erde« so gestalten, dass sie die größtmögliche Vielfalt an Leben unterstützen, orientieren wir uns am besten an der Natur. Das stößt in Mitteleuropa allerdings schnell an Grenzen, denn eine vom Menschen unbeeinflusste Natur gibt es hier schon lange nicht mehr.
Unsere individuelle Vorstellung von Natur bilden wir in der Kindheit an den Orten aus, die wir als Natur erleben – ob das der Stadtpark mit Englischem Rasen ist oder der Waldrand neben dem Maisfeld. Diese Bilder sind weit weg von dem, was ökologisch möglich wäre, und nicht ausreichend, um beim permakulturellen Gestalten die gewünschte Vielfalt zu schaffen. So ist es meist unumgänglich, sich über Bücher oder Fachleute Wissen anzueignen, um gute Gestaltungsentscheidungen zu treffen.
Wie nötig dies ist, unterstreicht eine jüngst veröffentlichte Studie, über die auch die großen Medien ausführlich berichteten: Es ging um die Auswertung von Daten aus 27 Jahren Insekten-
erfassung in Schutzgebieten an mehr als 60 Standorten. Das schockierende Ergebnis: Im Vergleich zum Beginn der Aufzeichnungen ist die Zahl der Fluginsekten auf weniger als ein Viertel gesunken. Klima- und Biotopveränderungen können als Verursacher des Rückgangs ausgeschlossen werden. 90 Prozent der Schutzgebiete weisen im Umfeld Flächen auf, die landwirtschaftlich intensiv genutzt werden. Deren konkreter Einfluss auf die Insektenpopulation konnte in der Studie leider nicht ermittelt werden, da etwa zum Pestizideinsatz keine Daten vorlagen. Laut dem Naturschutzbund sind die Ergebnisse der Studie für alle Offenlandbiotope des deutschen Tieflands repräsentativ; der Insektenrückgang ist ein flächendeckendes Problem. Die Insektenwelt bildet die Grundlage zahlreicher Nahrungsketten, und vermutlich würde die Untersuchung von Vogel- oder Kleinsäugerpopulationen ähnliche Ergebnisse liefern. Die Ausweisung von Schutzgebieten allein – so lässt sich obige Studie auch interpretieren – wird die Vielfalt an Lebewesen also nicht erhalten. Wir alle sind daher gefragt: Egal ob Balkonbewohnerin oder Kleingärtner, städtischer Grünflächenamtsmitarbeiter oder Landbesitzerin auf dem Dorf – jede und jeder kann in seinem Umfeld Nützling sein und für die Artenvielfalt günstige Strukturen schaffen. Diese sind mitunter gar nicht schwierig anzulegen oder zu erhalten und haben dennoch positive Auswirkungen auf Insekten, Kriechtiere, Säugetiere und Vögel.
Einige Beispiele, wie Hecken und Agroforstsysteme, Trockenmauern und Totholz, kräuterreiche Wiesen, Wasserstellen oder Wandbegrünungen, werden wir in den kommenden Oya-Ausgaben vorstellen. \ \ \


Wir freuen uns über Praxiserfahrungen, die wir an dieser Stelle vorstellen können (bitte an ulrike.meissner@oya-online.de).


Studie von Insektenkundlern sorgt für Schlagzeilen
Ergebnisse der Studie auf Deutsch:
www.nabu.de/news/2017/10/23291.html

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