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Selbst denken, selbst machen, selbst versorgen [Buchbesprechung]

von Elisabeth Voß, erschienen in Ausgabe #42/2017
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Hinter dem etwas simpel klingenden Titel »Selbst denken, selbst machen, selbst versorgen – Ein Bauer zeigt, wie‘s geht« verbirgt sich ein Kleinod an Erfahrungen und Einsichten. In eingängigem Stil erzählt Markus Bogner, wie er sich als gelernter Elektriker entschied, lieber als Rettungssanitäter zu arbeiten, wie er über Aushilfstätigkeiten auf einer Alm 2004 gemeinsam mit seiner Frau als Verwalter auf einen Bauernhof kam, und wie beide schließlich 2009 den Boarhof am Tegernsee pachteten. Dieser kleine Hof mit nur 10 Hektar Landwirtschaftsfläche ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie eine kleinbäuerliche Existenz in ökologischer und globalsolidarischer Verantwortung auch wirtschaftlich gelingen kann. Neben ihrer Landwirtschaft mit Selbstversorgung für sich und ihre drei Kinder betreiben die Bogners einen Hofladen und eine Schankwirtschaft; darüber hinaus bieten sie Seminare an.
Wer eine praktische Anleitung erwartet, mag enttäuscht sein. Es finden sich zwar zwölf Kurzkapitel mit Tipps zum Selbermachen, zum Beispiel Brotbacken, Kompostherstellung oder Hühnerhaltung; diese sind jedoch eher Einsprengsel in einem weitaus größeren Wurf. Ohnehin ist jeder Hof ein Universum für sich, und ein Rezept zum einfachen Nachbauen kann es nicht geben. Stattdessen nimmt der Autor seine Leserinnen und Leser auf eine gedankliche Rundreise zu den Ursachen von Hunger und Klimakatastrophe mit und zeigt ihnen Alternativen. Geprägt haben ihn zwei Erkenntnisse: dass rechnerisch jedem Menschen nur 2000 Quadratmeter Landwirtschaftsfläche zur Verfügung stehen, und dass die Börsenspekulation mit Lebensmitteln wesentlich für den Hunger in der Welt verantwortlich ist. Überzeugend legt er dar, dass schon heute genug Nahrung für alle produziert wird, und dass die industrielle Landwirtschaft mit ihrem Profitstreben – sowie eine ungerechte Landwirtschaftspolitik – ein gutes Leben für alle verhindern.
Bogner belehrt und missioniert nicht, sondern erzählt von seinen eigenen Erfahrungen und vermittelt gleichzeitig vielfältiges Wissen. Damit gelingt es ihm, Interesse zu wecken und Türen zu öffnen. Er appelliert an die Verantwortung der Konsumierenden und geht so weit, den Kassenbon als »Wahlschein des 21. Jahrhunderts« zu bezeichnen. An dieser Stelle bin ich beim Lesen emotional auf Abstand gegangen. Der Tonfall des Autors, der mir anfangs so sympathisch war, schien mir nun etwas zu glatt und selbstgewiss. Mir ist es auch zu schlicht, wie unkritisch er zum Beispiel Regionalwährungen oder das Konzept des Bruttosozialglücks im kleinen Land Bhutan propagiert. Sein Engagement für einen gentechnikfreien Landkreis Miesbach und sein Eintreten für das Genossenschaftswesen versöhnen mich wieder.
Der Autor formuliert seine Gedanken, Zweifel und Überzeugungen persönlich und undogmatisch. So hat er zum Beispiel mit seiner Frau entschieden, dass sie Tiere halten, die auch geschlachtet werden, und dass sie Fleisch essen. Daraus macht er keine allgemeingültige Regel, sondern ermutigt die Leserinnen und Leser, ebenfalls ihren eigenen Weg zu gehen. Mit dieser Art des Schreibens wird mir auch die ausgeprägte Kleinfamilienorientierung des Textes erträglich. Es gefällt mir, wie der Autor am Ende des Buchs die Kartoffelernte mit zwei jungen afghanischen Berufspraktikanten schildert. Diese bewundern die schweren Maschinen benachbarter Landwirtschaftsbetriebe, und Bogner versucht ihnen zu vermitteln, dass die mühselige Handarbeit, die beide aus ihrer Heimat kennen und nun auch in ihrem Praktikum anwenden, nicht etwa rückschrittlich ist, sondern zukunftsweisend.
Wer sich schon mit dem Thema Landwirtschaft aus globaler Perspektive beschäftigt hat, wird in Bogners Buch kaum Neues entdecken. Jedoch eignet es sich mit seinen Bildern und praktischen Beispielen sehr gut, um neu Interessierte an das Themenfeld der Lebensmittelproduktion heranzuführen. Heini Staudinger, der Geschäftsführer der Waldviertler Schuhwerkstatt, hat ein begeistertes Vorwort verfasst. ◆


Selbst denken, selbst machen, selbst versorgen
Ein Bauer zeigt, wie‘s geht.
Markus Bogner
oekom, 2016
208 Seiten
19,95 Euro

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