Buchtipps

Grundrecht auf Glück (Buchbesprechung)

von Ivan Raduychev, erschienen in Ausgabe #32/2015
Photo

In seinem Buch »Grundrecht auf Glück« beschreibt Ha Vinh Tho die berühmt gewordenen Bemühungen des kleinen Königreichs Bhutan, das die Zielsetzung seiner politischen und wirtschaftlichen Entwicklung vom Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) abgekoppelt und stattdessen das Bruttonationalglück (BNG) als Fortschrittsindikator eingeführt hat. Als Pionier hat Bhutan von den Vereinten Nationen die Aufgabe bekommen, diesbezüglich Strategien zu erforschen und auszuprobieren. Die Regierung hat daraufhin ein BNG-Zentrum aufgebaut, das von Ha Vinh Tho geleitet wird.
Der Mensch strebt in all seinen Entscheidungen und Handlungen nach Glück. Doch mit dem Bild ­des Homo oeconomicus, das seit Jahrzehnten die makroökonomischen Modelle dominiert und sich immer um die »Maximierung des eigenen Vorteils mit möglichst wenig Aufwand« dreht, wird Glück mit Profit und Konsum gleichgesetzt. Auf der Suche nach einem derart definierten Wohlstand fühlen sich immer mehr Menschen eher entwurzelt und niedergeschlagen als glücklich. Die Entfremdung von der Natur und den Mitmenschen, vom eigenen Selbst und von einer spirituellen Anbindung sieht der Autor als ausschlaggebend für die Probleme der heutigen Welt. Durch die Vermittlung anderer Werte von Kindheit an könne der geistige Wandel des Individuums zur Veränderung der Gesellschaft führen.
Das Buch ist kein Plädoyer gegen den Fortschritt, sondern für einen drastischen Richtungswechsel: Nicht das BIP soll vermehrt werden, sondern das Glück der Bevölkerung. Um das Glück als komplexe Größe – im Vergleich zum relativ einfachen wirtschaftlichen Indikator – messen zu können, wurde in Bhutan der multidimensionale Index des BNG eingeführt. Anhand von regelmäßigen Bevölkerungsumfragen werden Themenfelder wie Gesundheit, subjektives Wohlbefinden und Zufriedenheit, soziales Umfeld sowie spirituelle Praxis untersucht, die nach Meinung zahlreicher Ökonomen, Soziologen, Psychologen und Politiker zum menschlichen Glück beitragen. Die Ergebnisse fließen als richtunggebendes Feedback zur Regierung zurück, die zeitnah den Entwicklungskurs des Landes anpassen kann. Die anfangs romantisch-utopisch anmutende Lektüre führt viele praktische Beispiele an, lässt Experten sprechen und geht auf Grenzen des Konzepts wie auch auf Probleme bei dessen Umsetzung ein. Quellenangaben und Verweise verleihen dem Buch eine populärwissenschaftliche Note und laden dazu ein, sich weiter in das Thema zu vertiefen.

Grundrecht auf Glück
Bhutans Vorbild für ein gelingendes Miteinander.
Ha Vinh Tho
Nymphenburger, 2014, 204 Seiten
ISBN 978-3485028172
20,00 Euro

weitere Artikel aus Ausgabe #32

Photo
von Matthias Fersterer

ICH DYLAN ICH (Buchbesprechung)

Die Dichter kehren wieder. Ich weiß es genau. Bin ich doch vor wenigen Jahren Georg Trakl (1887–1914) im Zug gegenübergesessen und habe W. G. Sebald (1944–2001) auf einer Berghütte getroffen. Manchem Literaten ist nicht nur eine Wiederkehr, sondern eine

Photo
Die Kraft der Visionvon Michael Ende

Vom Ewig-Kindlichen

Das Kind, das ich einmal war, lebt noch heute in mir, es gibt keinen Abgrund des Erwachsenwerdens, der mich von ihm trennt, im Grunde fühle ich mich als der gleiche, der ich damals war. An dieser Stelle sehe ich vor meinem inneren Auge so manchen Psychologen bedenklich die Stirn runzeln und

Bildungvon Bastian Barucker

Frei aufwachsen mit guten Regeln

Catherina, du bist in einem Indianerstamm aufgewachsen, hast die ersten Jahre deiner Kindheit quasi in der Steinzeit verbracht. In deinem Buch beschreibst du paradiesische Zustände: Ihr Kinder hättet kaum Pflichten gehabt, aber viele Rechte und Freiheiten.Meine Eltern erforschten

Ausgabe #32
Was mit Kunst

Cover OYA-Ausgabe 32
Neuigkeiten aus der Redaktion