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Integrale Ökologie (Buchbesprechung)

von Dorothea Baumert, erschienen in Ausgabe #24/2014
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Regenwald soll gefällt werden. Ein Ökologe warnt vor der Zerstörung des Ökosystems, der dort ansässige indigene Stamm klagt über den Verlust seiner Heimat, Holzfäller haben Aussicht auf Arbeit, Umweltaktivisten planen eine Sitzblockade, und ein Politiker wird zu einer Stellungnahme gedrängt.

Die Umwelt geht alle etwas an, und jeder hat seine eigene Sichtweise auf das Problem. Aber wessen Perspektive ist die richtige? Die eine, wahre Perspektive gibt es nicht, sagen die Autoren Sean Esbjörn- Hargens und Michael E. Zimmerman. Mit dem Buch »Integrale Ökologie. Die Vereinigung verschiedener Perspektiven auf die natürliche Welt« legen die Wissenschaftler eine Theorie vor, die es ermöglicht, umfassende Lösungen für Umweltprobleme zu finden.

Im Fall des »Great Bear Rainforest« in British Columbia wurde die Methode der »Integralen Ökologie« angewandt. Aus allen Blickwinkeln wurde das Problem der Abholzung des Regenwaldes betrachtet, die verschiedensten Interessen wurden als wichtig anerkannt und analysiert, um am Ende eine Lösung für alle zu finden. Dabei ist ein Abkommen entstanden, das die Interessen der Holzindustrie berücksichtigt und gleichzeitig große Teile des Walds schützt.

Das Wissenschaftlerduo leitet dazu an, Umweltfragen durch ein Kaleidoskop zu betrachten: »Integrale Ökologen müssen sich in die persönliche und kulturelle Weltumgebung der wichtigsten Interessengruppen einfühlen können. Jeder hat eine unvollständige Wahrheit beizutragen, jeder hat ein Interesse an der Umwelt, nicht nur Umweltaktivisten.« Um sich aber in andere Weltsichten einfühlen zu können, müsse man anerkennen, dass der Mensch ein Inneres besitze, und diesem Bedeutung beimessen. »Deshalb fordert die Integrale Ökologie eine Forschung, die einbezieht, wie das Innerliche des Menschen, wie beispielsweise psychologische Identitäten, emotionale Dynamik, kulturelle Werte und körperliche Erfahrungen, mit ökologischen Problemen in Zusammenhang steht. Wir fordern auch die Anerkennung der Existenz des Innerlichen bei allen Mitgliedern des Ökosystems.«

Wie eine ökologische Wissenschaft, die Herz und Verstand vereinigt, aussehen kann, erläutern die Autoren ausführlich. Im ersten Buchteil wird das theoretische Fundament gelegt – eine kleine Herausforderung für den Laien. Der zweite Teil zeigt mit seinen Fallstudien, dass es sich hier um eine Theorie handelt, die für die Praxis gemacht ist.

Die Thesen der Autoren mögen simpel klingen – alle Perspektiven sind wichtig und nur eine Wissenschaft, die das Innere in Lebewesen beachtet, kann diesen auch dienen. In unserer wirtschafts- und wissenschaftsorientierten Gesellschaft sind diese Einsichten aber noch längst keine Selbstverständlichkeit.

 

Integrale Ökologie
Die Vereinigung verschiedener Perspektiven auf die natürliche Welt.
Sean Esbjörn-Hargens, Michael E. Zimmerman
Phänomen, 2013, 580 Seiten
ISBN 978-3943194555
29,90 Euro

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